Gadarols Glosse #18: Man kann es ja mal versuchen!

Elektronik Darts, kritischen Spielern auch als „Die Borg“ bekannt, hat eine neues Motto: Nach unglaublichen Gassenhauern wie „Fordere alles heraus!“, „Wenn es im Spiel drin ist, dann ist es im Spiel drin!“ oder aber „Widerstand ist zwecklos, auch du wirst von uns assimiliert!“ hat ein findiges Team überbezahlter PR – Spinner offenbar im Vollrausch eine neuen Strategie der langfristigen Userbindung entwickelt, getreu dem Motto: „Man kann es ja mal versuchen“. Da diese kleine, bescheidene Glosse sich nicht mit real existierenden Fließbandbyte – Großproduzenten anlegen mag ist die folgende Geschichte völlig frei erfunden, doch wie immer der Reihe nach…

Schlachtfeld 3

Unter „Trailerblendern“ versteht man gemeinhin jene Titel, bei denen man das 20-köpfige Videoteam ebenso bezahlt und beschäftigt wissen will wie die restlichen 10 Entwickler. Und eine Qualitäts- und Endprüfung wird allenfalls vom Chef ihm seiner Frau und studentischen Aushilfen besetzt, deren Arbeitsmotivation sich mit dem Trieb früh aufzustehen in idyllischem Einklang befindet; außen hui – innen pfui könnte man so manch einem kürzlich erschienenen Game vorwerfen. Selbiges gilt aber auch für jenes Blendwerk, bei welchem man sich fragen muss, ob das Vorziehen des geplanten Erscheinungsdatums um zwei Tage einzig dem Ziel diente den treudoofen Kunden das Weihnachtsfest nicht vollends zu verderben.

Denn schon früher brachte der Weihnachtsmann oftmals eben nicht das ersehnte Fahrrad sondern selbst gestrickte Socken von der Oma. Heute will man Blenderware offenbar nicht in denselben Fußstapfen wandeln lassen, damit die festliche Stimmung nicht zu sehr durch massive Enttäuschung geblendeter Mainstream-Berichterstattungs-Konsumenten zerstört wird. Denn egal ob ich nach langer Pause endlich wieder in strategische angehauchte statt jährliche erscheinende Roxxor-Pickelkiddie-Schlachten ziehen will, oder mein grell leuchtendes Schwert sich als sterile und leblose Klinge herausstellt, die mir zudem noch permanent und höchst monoton die Ohren voll labert: Nach dem Auspacken ist wie so oft im Leben größte Ernüchterung angesagt.

Kein Wunder, sollte man meinen, denn wer soviel Budget in teure Blendgranaten-PR stecken kann muss dieses letztlich im Funktionsumfang der präsentierten Produkte wieder einsparen. Da kann im Rahmen des Release-Rummels auch gerne mal vergessen werden zu erwähnen, dass der neue Kriegsschauplatzstrategietitel ein Browser Pop-Up-Spiel ohne Client ist. Oder aber, dass die Verfügbarkeit der hierfür in Nairobi angemieteten Serverfarm allenfalls mit der Zuverlässigkeit osteuropäischer Billigflieger verglichen werden kann. Und reißen die Dämme unter dem Sturm des Kundenzornes ein so gerne aus der höchstoptimierten Eula zitiert.

In dieser ist zu lesen, dass man nur das Produkt „wie es ist“ kauft, und auf einen reibungslosen Betrieb der Server somit kein Anspruch besteht. Dumm nur, wenn Selbige Voraussetzung sind den Titel überhaupt konsumieren zu können, und ist uns nicht immer noch das Desaster der Ubi – Franzosen mit ihrem Bevölkerungsstrategietitel bekannt, der nahezu 2 Wochen nach dem Kauf mangels funktionierender Hardwareinfrastruktur immer noch nicht spielbar war? Schwer vorstellbar würde man im realen Leben ein Fahrzeug erwerben, dessen Schlüssel nur nach Gutdünken des Autohauses zur Verfügung stünde.

Der Ursprung des Bösen

Mit Gleichschaltung und Alleinherrschaft als finalem Ziel hat Elektronik Darts eine weitere List ersonnen: Alle künftigen Titel sollen nur noch über die firmeneigene Dongle… pardon: Downloadplattform „Ursprung“ zu erwerben sein. Hier will man wohl – wenn auch mit dezenter Verspätung – der Konkurrenz ordentlich „Dampf“ machen. Damit man auch immer schön weiß was das Kundenvieh so treibt räumt man sich selbst noch die großzügige Erlaubnis zur Festplattendurchsuchung im Kleingedruckten ein. Sollte dabei eine Unsicherheit bezüglich der lizenztechnisch konformen Verwendung anderer Titel des eigenen Hauses bestehen, telefoniert dies die Software ohne Einwilligung des Nutzers umgehend „nach Hause“, und unterbindet sicherheitshalber eine weitere Inbetriebnahme der fraglichen Produkte.

Natürlich ist es auf diesem Wege ein Leichtes, auch andere Daten des Nutzers auszuspionieren, wie zum Beispiel verwendete Hardware, Software, IP Adresse sowie Anzahl und Genre der zahlreich vorhandenen anregenden Erwachsenenfilmproduktionen. Damit man nicht „aus versehen“ unvorsichtig mit diesen sensiblen Daten umgeht räumt sich Eletronik Darts hier noch gleich das Recht ein diese zu verkaufen, Verzeihung, zu „Marketingzwecken“ weiter zu verwenden. Wem also demnächst der neueste Beate Uhse ins Haus flattert, und wessen Mailpostkasten mit eindeutig zweideutigen Webseitenangeboten nebst Anpreisung alternativer Pharmaprodukte zur Anregung der Blutzirkulation bestimmter Körperregionen geflutet wird darf sich bei der fürsorglichen Datenanalyse für ihre allumfassende Sorgfalt bedanken. Vorsorglich wurde im Übrigen sicher gestellt, dass nach dem Entfernen der Plattformsoftware auch gleich alle anderen bisher aus dem Hause Elektronik Darts rechtmäßig erworbenen Titel nicht mehr funktionieren, da diese mit der Plattform heimlich im Hintergrund verknüpft wurden. Da User Bildschirmhinweistexte ohnehin nicht lesen wurde hier gleich auf eine entsprechende Nachfrage oder einen fürsorglichen Hinweis verzichtet.

Und wieder zurück…

Natürlich hat es sich der deutsche Unterschichtenradau- und Panikmachejournalismus nicht nehmen lassen dieses Thema genüsslich wie ein Stück Hundekot in der Fußgängerzone breitzutreten, was dem Autor dieser Zeilen schon ein breites Schmunzeln abrang. Nun hat auch Oma Erna Angst, dass das zufällig herumstehende Notebook des Enkels ihre Briefe öffnet und in der Zeitung abdruckt, und Eltern setzen ihre Kinder vorsorglich lieber vor das Menschen verachtende Hartz 4 – TV. Doch den Meinungsmachern ging es dieses Mal nicht um den Inhalt des ach so bösen Kriegsspieles, sondern um die Nötigung zur datentechnischen Entblößung vor der Wirtschaft. Wer hier indes auf eine wünschenswerte Sinneswandlung in Sachen „Gamer – Verachtung“ hofft, zumal die USK derzeit scheinbar doch so Einiges blutdurchsetzte Byteprodukt direkt ins Kinderzimmer durchwinkt, der glaubt allerdings wohl auch an die jährliche Geschenkzustellung durch ein rot bekleidete Werbefigur mit auf den Rücken verlagerten primären Geschlechtsmerkmalen.

Ausblick

An sich möchte man schon aus Protest gegen den Protest nicht auf den nächsten Crazytrain der an Menschen mit unterdurchschnittlicher Hirnleistung gerichteten Panikmache aufspringen, denn bis dato vermochte mir niemand glaubhaft die Gefahr dessen zu erklären, dass mir interessante Angebote aus mich interessierenden Themenbereichen dargeboten werden. Was den Autor dieser Zeilen umso mehr erzürnt ist die Dreistigkeit, mit welcher Unternehmen mit zunehmender Größe ihre Kunden zu hintergehen versuchen. „Man kann es ja mal versuchen“ ist hier die Devise. Hat der User erst einmal das Geld in den großen Gierschlund der rein auf Finanzen denn Spielspaß getrimmter Macher geworfen, kommen nach und nach die fiesen Aspekte zum Vorschein. Dabei ist dieses Vorgehen mittlerweile so durchschaubar, dass man sich doch wundern muss, warum immer noch Erfolge mit solcherlei Gebaren erzielt werden, statt Titel dieser Unternehmen ebenso zu meiden wie Rollenspieler dereinst Publikationen der Firma NoGooD.

Vielleicht sollte man künftig einfach grundsätzlich vom Kauf jener Produkte absehen, die:

  • besonders tolle und teure Trailer haben
  • die NDA nur für die Presse aufheben, für Kritiker zwei Tage nach Release
  • mit einer eigenen Aktivierungs- / Downloadplattform daherkommen
  • aus Konzernen mit mehr Mitarbeitern in PR als in QS und Content stammen
  • in einschlägiger Fachpresse hohe Wertungen erhalten

Immerhin stimmt man in anderen Ländern bereits erfolgreich mit den Füßen ab, was sich hierzulande leider noch nicht so durchgesetzt hat. Schuld daran mögen vor allen Dingen auch die Erfüllungsgehilfen in Form geduldig Propaganda druckender und sorgsam umgarnten „Testmagazine“ sein, die suggerieren man müsse um mitreden und dabei sein zu können die großen Megakracher unbedingt erwerben, der Name stünde ja für die Qualität einer Serie.

Es steht an dieser Stelle noch in den Sternen, ob Spieler bei einem zukünftigen Titel aus der Vergangenheit … gelernt haben. <- Der Autor dieser Zeilen hat sich mit diesem Satz besonders viel Mühe gegeben!

Lesen sie in den nächsten Ausgaben: „Olle Rollen 5 – Die Himmelsrand Foto Lovestory“ und: „Von blendenden Leuchtschwertern ins TOR“

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