Gadarols Glosse #17: Dräggön Eitsch für Dummies 2

Stellen sie sich vor sie sind berufstätig. Außerdem haben sie wahlweise eine Frau oder einen Mann dauerhaft an ihrer Seite. Daraus resultierte – sofern biologisch möglich – ein besonders nachtaktiver Stammhalter. Dann ist da noch das Fußballteam, welches sie trainieren, der Aufsichtsrat, in welchem sie sitzen, und nun sollen sie auch noch in die Politik. Zuviel für sie? Dann wissen sie nun sicherlich, wie sich die Entwickler von Bioware unter dem Diktat der Borg EA fühlen müssen. Nicht nur jedes Jahr ein neues Dragon Age und Mass Effect, auch das erste richtig innovative MMO soll in Zusammenarbeit mit Lucas Arts entstehen. Was dabei heraus kommt, wenn die Arbeit zu viel wird und die Entwicklungzeit zu wenig, sei hier anschaulich am Beispiel von Dragon Age 2 erklärt, doch wie immer der Reihe nach…

Da lag er also auf meiner Platte, der neue „große Wurf“ des Singleplayerollenspieleprimus BioWare. Ein wenig angestachelt von verkaufsfördernd wirkenden Wertungen einschlägiger Rollenspielmagazine und imposant hochglanzpolierten Bildern und Videos stürzte ich mich in die PC Version in der Hoffnung, die Story- und Atmosphärenprofis würden es trotz rapide sinkender Ressourcen schon richten. Wie immer suchte ich nach den für mich wesentlichen Elementen eines Rollenspieles: Leveln, skillen, ausrüsten, Interaktion sowie Story, Quests und Berufe. Wie gesagt: Ich suchte! Denn schon nach wenigen Spielminuten und zwecks gründlicher Recherche auch Stunden, Tagen und Wochen stellte sich heraus, dass meine kritische Grundhaltung nicht vollends unbegründet war.

1.    Der Einstieg

(Werbung: Dragon Age 2 via amazon.de)
(Werbung: Dragon Age 2 via amazon.de)

Getreu dem Motto „Wir schauen uns mal was bei Piranha Bytes ab“ wird man direkt zu Beginn des Spieles mitten in den Kampf geworfen. Dieses System birgt jedoch ein kleines Problem in sich: Entweder der Spieler kämpft seinen Fähigkeiten entsprechend schwach, oder Selbige fallen vom blutrotgefärbten Himmel, wie hier der Fall. Auch wenn ich mich als durchaus fähigen Rollenspieler betrachte schäme ich mich keineswegs zuzugeben, dass ich mit dem hier präsentierten Einstieg nicht anfreunden kann. Bewegung und Steuerung wirken zunächst sehr hakelig und gewöhnungsbedürtig sowie wenig intuitiv, but maybe thats just me. Also versuche ich das Positive zu sehen: Anfang verbockt, da muss man doch den Rest des Spieles im besseren Licht zu sehen, aber…

2.    Die ersten Schrittchen

Ich laufe mit meiner Mami, irgendsoeiner anderen Frau und einem vor sich hinsterbenden Typen durch ein lineares Schlauchlevel, dessen spielerische Freiheit mich doch arg den Straßenbahnsimulatoren erinnert. Nebenbei sei hier angemerkt, dass in diesem Spiel der „einer deiner Freunde / Bekannten stirbt“ – Trick völlig überreizt wurde. Dies führt zu vorhersehbaren, wenig packenden – zuweilen soger peinlich präsentierten – Szenen. Geleitet werden meine ersten Schrittchen von einem innovativen „gelber Pfeil“ Naviagtionssystem, welches sich sehr idyllisch in die Plastiklandschaft aus verwaschenen Texturen mit fehlenden Übergängen einfügt.

Die spielerische Freiheit der Spielwelt erinnert mich schon nach kurzer Zeit eher an das Leben in einer Legehennenbatterie; selten gibt es eine Abzweigung, die aber schon nach gefühlten 3 Metern endet und mit einer Truhe den Entdeckergeist belohnt. Oder aber: Sie führt in eine ellenlange Sackgasse, deren einziger Lohn ist 10 Minuten Spielzeit verschwendet zu haben. Um die von der Spieleindustrie zunehmend für dumm gehaltenen und entsprechend erzogenen Konsumenten nicht vollends zu überfordern, gibt es im Übrigen nur drei bis vier verschiedene Höhlendesigns.

Diese unterscheiden sich ebensosehr wie sparsam aus einem Ei hergestellte Zwillinge, einzig Einstigespunkt und Ausgang sowie Metzelopfer und Matschtexturen variieren, dafür stehen aber geheime Kisten und Truhen immer am selben somit vorhersehbaren Ort. Wohlgemerkt: Wir reden hier nicht von nur einer Höhle, die man immer wieder aufsucht, sondern ein und demselben Höhledesign an unterschiedlichen Stellen des Spieles, eingefügt mit SRTG + C / STRG + V. Zielstrebig führt mich mein Weg in die Hauptstadt, wo ich endlich wieder das zweifelhafte Vergnügen habe zu sehen, warum ich andere Spielefirmen für ihre Fähigkeit einer nicht zerstückelten Welt liebe!

3.    Stadt – Stückchen

Rechteckwasser und Gemälde
Rechteckwasser und Gemälde

Ihr ahnt es schon: Unzählige Ladebereiche unterteilen das, was ansonsten eine imposante Stadt hätte sein können. Beeindruckend sind sie durchaus, die meist nicht betretbaren Bauwerke, die leicht verrutschten oder unscharfen Texturen und die herumstehenden NPC-Püppchen, doch irgendetwas fehlt, um diese Siedlung von der Betaversion des Sardinendosensimulators 2011 zu unterscheiden. Eine ganze Weile irre ich zwischen den Ladeschirmen umher, die sich ebenso lang ziehen wie der Käse meiner inzwischen kalt gewordenen Pizza, und dann fällt es mir wie Schuffen aus den Haaren: Es sind die menschlichen NPCs, die irgendwie gar nicht so sind, wie ich sie in anderen Spielen kennen und schätzen gelernt habe.

Während ich in einem echten Rollenspiel beobachten kann, wie die Pixelhumanen einem glaubwürdigen Tagesablauf nachgehen, der Schmied seinen Hammer stählt (oder war es umgekehrt?), der Hof gefegt wird und Alchemistenfläschchen geheimnisvoll vor sich hinblubbern, oder aber gegen Abend NPCs eine Kneipe aufgesuchen, um anschließend im Bett zu verschwinden, gibt es all dies hier garantiert nicht. Dafür kann ich jedoch die virtuelle Tageszeit in der Kartenansicht direkt umschalten: Gute Nacht, Licht aus!

In Anlehnung an ein koffeinhaltiges Brausegetränk ist dies nicht einmal Rollenspiel light, das ist Rollenspiel Zero. Doch man muss Bioware hier zu Gute halten, eine einheitliche Linie zu fahren: Meine Interaktionsmöglichkeiten mit der restlichen Umwelt sind ebenfalls nahe Null. Es gibt 3 Arten von Truhen und Kisten, die so richtig schön „extra platziert“ aussehen, aber die sonst Genreüblichen zahlreichen Nebenräume, Schränke, Lebensmittel auf Tischen, Bücher, Waffen, Rüstungen, Blumen, Fackeln oder Dekoartikel wurden – ihr ahnt es schon – eingespart.

4.    Lehr – Stückchen

So fügen sich zumindest zwei Dinge glaubwürdig zusammen: Dort, wo niemand vernünftig seinem Beruf nachgeht, oder irgendetwas von mir greifbares herstellt, kann auch niemand mir etwas beibringen. Und so kann ich aus meinem Inventar jederzeit gegen Bares neue Teile hervorzaubern, das richtige Rezept und eine über ein Buch gebückte Körperhaltung vorausgesetzt. Doch halt, so einfach ist das nicht: Zutaten braucht man immerhin schon! Gut, dass Bioware auch hier dem Streamlining – Trend in vorauseilendem Gehorsam folgt, und eines der ersten Rollenspiele ohne Notwendigkeit zum Entdecken der weitläufigen Landschaft und Sammeln von Zutaten veröffentlicht hat. Zum Einen gibt’s da eh höchtens für angehende Fahradschlauchfachverkäufer viel zu sehen, und zum Anderen reicht es in DA II, eine Zutat nur ein einziges Mal entdeckt zu haben. Innovativ hat BioWare hier also die Brücke geschlagen zwischen völlig überflüssig und völlig banal.

5.    Grafiklückchen und Mogelpacküngchen

Texturensalat
Texturensalat

Dass dies in Spielen eines der unwichtigsten Merkmale für den Autor dieser Zeilen ist dürfte sich ja bereits in der anspruchsvolleren Spielerschaft herum gesprochen haben. Aber von einem mit solch hohen Wertungen gezierten Produkt erwarte ich deutlich mehr. Hier seien zum Beispiel die Hintergründe erwähnt, die sich wie „Matte Paintings“ aus Serienhintergründen der 70er Jahre in die Welt einfügen. Flackernde Texturen, fehlende Objektübergänge und zuweilen merkwürdige Lichteffekte trüben das Rollenspielflair ebenfalls. Auch kann ich nicht nachvollziehen, warum meine ansonsten eifrig rackernde GTX 560 schon nach 5 Minuten und trotz Treiberupdate lauthals nach Erholungsurlaub oder EU Rente schreit. Obgleich mir Stil und Inhalte jederzeit wichtiger ist als die perfektionistischen Fetische größenwahnsinniger Texturendraufkleber komme ich hier dennoch nicht umhin zu bemerken, dass sich die ganze Mini – Welt irgendwie „pappig“, steril und leblos anfühlt.

Wo wir gerade von Texturen sprechen: Käufer können zusätzlich und GRATIS ein 1 GB grosses HD – Texturenpack herunterladen!!!111elf Die Volksverdummung des treudoofen Kundenviehs ist bereits soweit vorangeschritten, dass die üblichen selten dämlichen Forenidioten auch noch anregen, dem Publisher für diesen tollen und sogar kostenneutralen Service gefälligst dankbar zu sein. Gerne würde ich solch hirnbefreiten Antidenkern regelmäßig Waren verkaufen, um ihnen dann ein leeres Paket zu übergeben. Denn hey: Ihr könnt eure Prütteln gerne jederzeit bei mir persönlich abholen, da will ich auch kein Extra – Geld dafür, nur eure Dankbarkeit! Wundern wir uns wirklich noch, auf welch abenteuerliche Ideen so mancher Finanzopti…ähem… Publisher in letzter Zeit gekommen ist, wenn er sich über eine solch konditionierte Treudoof – Klientel freuen kann?

6.    Dialoge und Questchen

Ein zweischneidiges Schwert. Zum Einen wie von Bioware gewohnt imposant und vollvertont, zum Anderen in sehr überschaubarer Anzahl und wenig innovativ, lustig oder unterhaltsam. Eine der ersten Quests entlockte mir in Folge dessen auch ein vor mich hingemurmeltes „Ach du Scheisse“, unweigerlich schlug ich dabei die Hände vor dem Kopf zusammen! Ich sollte doch tatsächlich ein AMULETT zu einer komischen Frau bringen. In den Game Design Spezifikationen zu „Caduon – Das Rollenspiel“ habe ich die Verwendung der Worte „Ring“ und „Amulett“ für Questtexte nicht grundlos untersagt…

Aus guten Rollenspielen kann ich auch heute noch Quests wiedergeben, die mich unterhalten und bewegt haben, das hier besprochende Produkt vermochte hier jedoch nicht zu glänzen. Hinzu kommt, wie bereits oben beschrieben, dass man in die stets gleichen Gebiete und exakt gleich aussehenden Dungeons geschickt wird. Insgesamt bin ich als eingefleischter Quest&Story – Fan zuweilen froh, wenn ich das teilweise mehr als belanglose und viel zu langatmige Geblubber einfach überspringen kann ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen.

7.    Klängchen

Die Wahl der Synchronsprecher schien in erster Linie dem Budget geschuldet, wobei dies in Anbetracht der im Netz kursierenden Produktionskosten erstaunt. Einige der Sprecher, zum Beispiel die Stimme von „Gul Dukat“ aus Deep Space Nine, vermögen zu überzeugen, Andere wirken völlig deplatziert oder schlichtweg unmotiviert und gelangweilt. Der große mächtige Kämpfer mit Bart und blutverschmierter Brust wird so klingt es von einem „Jüngelchen“ mit gerade einsetzendem Bartwuchs gesprochen. Diese Stimme, welche man im Spiel an jeder zweiten Ecke hört sollte erstmal einen Grundkurs „Schauspiel und situationsbedingte Intonation“ belegen! Der Großteil der Dialoge wirkt emotionslos und blutarm, gleich passend zur Musik: Beliebig, ohne einprägsame Themen, jedoch immerhin halbswegs an meinem Handeln orientiert.

8.    Metzgerchen (aka Albernheitchen)

Die Metzgerinnung wäre stolz!
Die Metzgerinnung wäre stolz!

Das ist doch nicht euer Ernst, BioWare? Neulich sah ich im Zuge der wöchentlichen Kinorunde im Kreise meines besten Freundes den Film „Säge 7“, und vieles in Dragon Age erinnert mich an diese wirklich albern ausgefallene völlig aus der Rolle fallende Sinnlos – Spaltterei. Das Blut fließt in übertriebenen Mengen; schon bei kleinsten Schlitzerchen scheint bei meinem Gegenüber gleich ein ganzer Staudamm zu brechen. Die rote Suppe verteilt sich allsdann großflächig auf Boden, Rüstung und Gesicht, auf Letzterem gerinnt sie binnen Sekunden. Wer freilich eine Karriere als Blutwurstproduzent oder Schächter anstrebt mag hier erste Erfahrungen sammeln können, mit Realismus hat dies alles jedoch wenig zu tun. Mir ging dieses alberne Geschmiere derart auf den Senkel, dass ich es per Menüoption auf nur wenige Liter pro Schlag reduzierte.

9.    Kampfsystemchen

Während Arkania aus einem großen Rollenspiel ein billig wirkendes Hack&Slay machte, gelang es BioWare immerhin, das Kampfgeschehen interessant und flott daherkommen zu lassen. Doch auch hier kann kaum von epischen Schlachten die Rede sein: Ob ich wild irgendwelche Knöpfe drücke, oder rundenbaisert meine Gruppe und ihre Fähigkeiten kommandiere, beides fühlt sich an wie sinnfreies Massengemetzel, einem so großen Rollenspiel mehr als unwürdig. Nach kurzer Zeit langweilen mich die immer wiederkehreden Kämpfe, monotone Gegnertypen und Fähigkeiten, darüber können auch die wirklich interessanten Skilloptionen und teilweise innovativen „Moves“ nicht hinwegtäuschen. Passend zu Unterpunkt 8 dieser Erörterung sei zudem erwähnt, dass ich meine Klingenopfer zuweilen mit nur einem Schwerthieb niederstrecke, diese sich daraufhin aber sauber zerstückelt  großräumig verteilen.

10.    Gefühle

Während ich mich in der Welt von Fallout und dessen Inszenierung sofort heimisch fühlte, vermag Dragon Age 2 es nicht mich in den Bann zu ziehen. Dies obgleich ich dem Fantasy – Gerne eigentlich eher zugeneigt bin als einer postnuklearen Welt, in der an jeder Ecke ein Abraxxe – Putzmittel steht aber kein Bewohner auch nach vielen Jahren sein eigenes Haus einer Grundreinigung unterzogen hat. Es ist deutlich zu spüren, dass bei der nur kurzen Entwicklungszeit sehr viel auf der Strecke geblieben ist. Weder fühle ich mit den NPCs mit, noch hauen mich Quests und Story vom Hocker. Alles wirkt beliebig, bekannt, und das Wort „pappig“ drängt sich mir immer wieder auf.

Ganz im Ersnt: Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass BioWare mit Dragon Age 2 eine große Satire auf richtige Rollenspiele erschaffen wollte, alles wirkt übertrieben und gekünstelt. Anders kann ich mir diesen Rollenspielabklatsch nicht erklären, mögen mich betriebsblinde Fanboys auf ewig hassen. Das Spiel für diese Glosse zu spielen war – und dies ist nun nicht dem Stilmittel der Übertreibung geschuldet – für mich schon sehr anstrengend und zäh. Zu keiner Zeit war ich „heiß“ darauf weiter zu spielen oder wollte wissen, wie es weiter geht, ein ausgesprochen schlechtes Zeichen. Dabei habe ich die zeitweise völlig fehlende Objektierung, mangelde Itemvielfalt, nicht vorhandene Konsequenzen meines Handelns und das komplette Fehlen glaubwürdiger Interaktionen von Fraktionen noch gar nicht erwähnt.

Objektives Fazit

Potenzprobleme?
Potenzprobleme?

Dragon Age 2 gehört sicherlich in die Spielesammlung eines jeden ambitionierten Rollenspielers, allerdings auf Grund der von mir empfundenen „Wertigkeit“ des Titels nicht zum Vollpreis. Wartet einfach, bis das Spiel in einer „Aktion“ günstiger wird, oder gar in der Pyramide / den Classics landet. Keineswegs solltet ihr mit der Erwartungshaltung rangehen einen vollwertigen großen Rollenspieltitel zu erhalten.

Es ist leider deutlich und an jeder Ecke zu spüren, wie hier das eine oder andere Mal der Rotstift den Inhalt reduzierte. Dennoch spielt es sich flüssig, vermag zu unterhalten, aber zu keiner Zeit derart zu fesseln wie vergleichbare Titel. Ich gebe dem Spiel den silbernen Daumen nach oben, und bleibe bei meiner Meinung, dass diese Serie in vollem Umfang überbewertet- und überhyped ist. Darüber können weder die zumeist stabil laufende Technik als auch die vielen kleinen Details hinwegtäuschen, beispielsweise die Gelungenen und oftmals erheiternden Diskussionen der Begleiter untereinander. Für mich steht fest: Weder DLC noch ein Dragon Age 3 kommen mir ins Haus, es sei denn etwas Grundlegendes ändert sich, oder als Vorlage für eine neue Glosse. Der gegenwärtige Trend in der Industrie sieht jedoch anders aus – ein Grund mehr meine Zeit weiter in die Entwicklung von Caduon zu stecken, als mich mit halbgaren Waren rumzuärgern.

Schreibe einen Kommentar