Ihr seht und lest richtig: Die meistgelesene und bestbewertete Rubrik auf mmoinfos.de ist endlich wieder zurück! Bissig, ehrlich und natürlich entgegen diversen anderen Onlineportalen völlig unabhängig von kommerziellen Sponsoren wird hier kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um die Beurteilung aktueller Spielekatastrophen und Mediendesastern geht. Heute ist der Delinquent Just Cause 2, bei welchem sich zwangsläufig die Frage stellt, wie viel Sandkasten ein Spielestudio verkraftet, ohne das ihm der Kessel um die Ohren fliegt, doch wie immer der Reihe nach…
Was ist Just Cause 2?
Man nehme: GTA, FarCry, jede Menge TNT, Horden geklonter Asiaten sowie Story-Autoren von Supermarktkassengroschenromanen und mixe dies mit einem riesigen Haufen Sand. Heraus kommt ein riesiges Singleplayer – Sandboxspiel, bei welchem sich dem Spieler zwangläufig die Frage aufdrängt: Warum nur? Antwort: „Just Cause 2“ (Frei übersetzt nach dem ehemaligen Slogan eines Wurstwarenherstellers: „Eben drum 2!“)
Eine Glosse zu Just Cause 2 kann nicht ohne hinreichende Würdigung der primären Merkmale eures Helden auskommen. Zum einen: Das lange Ding, dass ihr ab und an in den Händen haltet, das aber meist ungenutzt vor euch her baumelt. Es lässt sich bei Bedarf auf volle Länge ausfahren und in andere Menschen und Dinge immer und immer wieder hineinrammen. In diesem Zusammenhang kommt zum Zweiten der Beutel ins Spiel, welchen ihr ab und an entleeren müsst, und dabei das wunderbare Schwebegefühl von Vögeln erleben dürft. (Der geistig beschränkten noch immer pubertären und sich nun auf dem Boden kringelnden Fraktion meiner treuen Leser sei hier noch erläutert, dass natürlich vom „Greifhaken“ und „Fallschirmbeutel“ die Rede ist!)
Der Greifer hakt sich über unrealistisch große Entfernungen treffsicher an lebenden und leblosen Objekten fest und ihr könnt damit dem Kindheitstraum – einmal wie Spiderman zu sein – ein Stückchen näher kommen, indem ihr euch an Hochhäusern hochzieht oder Wagemutig große Schluchten überwindet. Oder ihr könnt „schweben“: nach einem Schwung mit dem Greifhaken wie oben recht unzweideutig beschrieben per Fallschirm gleitend. Oder aber „Verbinden“, z.B. einen Truck mit einer Statue, um diese zu Fall zu bringen, oder einfach nur einen Mottorradfahrer in laufender Fahrt von Fahrzeug und mitunter auch Leben trennen, um sich des Gefährtes mit nur einem eizigen gekonnten und nicht minder unglaubwürdigen Sprung zu bemächtigen.
Was ist das Ziel des Spieles?
Beschäftigungen suchen in Form von einsammelbaren Objekten und dem stundenlangen Bereisen der riesigen und leblosen Welt, um selbige mit Chaos zu überziehen, welches gleichzeitig den Spielfortschritt markiert. Jedes (identisch aussehende) Treibstofflager, Tankstellengebäude, jede Gaspipeline oder jedes Umspannungswerk: Der Held kann und muss alles, was in hunderten von Orten zur bösen diktatorischen Regierung gehört in die Luft sprengen, was gerne mal in einer Serie von eindrucksvollen jedoch zumeist physikalisch nicht begründbaren Explosionen endet, und uns den begehrten besseren Ausrüstungsgegenständen.
Unsere Gegner: Die Militärs des bösen Diktators. Mit einer KI von etwa 12m Unkrautbewachsenem Feldweg und furchtbar albern aussehenden Ragdoll Demo – Sterbeanimationen. So laden diese während eines scharfen Schusswechsels gerne zu unfreiwilliger Situationskomik ein. Beispiele aus dem Deisgn-Gruselkabinett: Man klettert auf auf einen Turm -> Gegner bleiben – ohne Deckung zu suchen – einfach stehen, und lassen sich per sprunghafter Erhöhung des Bleigehaltes der Luft wie Schießbudenfiguren nach hinten klappen. Sucht man selbst Schutz gibt es ob des dilettantischen Deckungssystems zwei Möglichkeiten: Variante A: Der riesige Felsen ist durchlässig und man ähnelt in kürzester Zeit einem eidgenössischen Milchprodukt, oder Variante B: Die KI der Gegner ist der ihrer Bytepfuscher nachempfunden, so dass sie nicht in der Lage sind, durch wenige Schritte zur Seite meinen Bleigehalt treffsicher zu erhöhen.
Oft reagieren die „Wachen“ gar nicht, treibt man sich in Sperrbezirken herum oder steht ihrem Fahrzeug im Wege, und wenn doch? In diesem Falle spulen sie fortwährend dieselben, leblos eingesprochenen Standardfloskeln ab. Diese passen garantiert niemals zu Situation oder Verhalten der Soldaten, denn offenbar werden die Sprachausgabefiles in immer derselben Reihenfolge abgespielt. Ton in Ton geht jedoch das Gegnerdesign mit der Sprachausgabe einher: Drei gelangweilt klingende Sprecher, drei Arten identisch aussehdner Gegner, willkommen auf der Kloninsel!
Die Bürger – NPC sind im Übrigen im Oberstübchen noch inhaltsärmer als ihre stets in Rudeln auftretenden und ballernden Militärunterdrücker: Während brutaler Schusswechsel oder gar Mord an Zivilisten vor der NPC – Nase schlendern diese völlig teilnahmslos weiter „stoned“ durch die Gegend, oder verharren in einer immer gleich aussehenden Hock-Zitterhaltung. Auch verblüffend ist ihre Fähigkeit zu magischen Illusionen: Sie verschwinden häufig vor den Augen des Spielers, nur um 5 m weiter wieder zu erscheinen. Intelligente Ambietedialoge und sinnvolle Tagesabläufe waren übrigens bei Release wohl noch nicht fertig…
Immerhin gibt es Händler NPCs! Mit markanten 2 Sätzen versuchen diese, gegrillte Insekten an den Helden zu bringen, stehen aber vor einem Verkaufsstand mit einem so umfangreichem Sortiement wie in ostdeutschen Bananenläden vor der Wende. Mangelndes Budget, Lustlosigkeit der Designabteilung oder mangelnden Kontakt zur Frischluft und Sonneneinstrahlung? Da hätte man doch gleich alle NPC in den Häusern belassen können, wäre da nicht das Problem, dass man Gebäude bis auf seltene Ausnahmen gar nicht betreten kann…
Gibt’s auch was Schönes?
Einfach nur traumhaft sind die Landschaften, die schier unglaubliche Blickweite und der daraus resultierende Flair des Spieles. Am besten genossen, wenn man mit dem gerade gestohlenen Fahrzeug oder dem während des Fluges per Greifhaken geenterten Fluggerät gen Horizont gleitet, oder sollte ich besser sagen: Schliddert? Die Steuerung jener Vehikel als „gewöhnungsbedürftig“ zu bezeichnen ist bei einigen Fahrzeugtypen mehr als schmeichelhaft. Die Artverwandschaft zwischen Asphaltgummi und Kaugummi ist deutlich zu spüren, und wenn in Just Cause 3 dann noch die neuen Playstation Leucht-Dildos oder Microsofts überteuerte Webcam als Steuerung etabliert werden sollten, sind unfreiwillige Stunts wohl Dauerprogramm.
Bei gemütlichem Reisen über Land sollte man sich vor der unterirdischen KI in Acht nehmen, will man nicht unweigerlich so enden wie der Fahrer eines defekten Chipeinwurffahrzeuges im Autoscooter. Ausweich- und Bremsroutinen der Fahrzeuge laufen recht abenteuerlich ab. Es gibt jede Menge Metallschrott sollte man mal bummeln oder gar stehen bleiben (und die Rede ist hier nicht von Vollbremsung!). NPC Fahrzeuge geraten dabei gern in eine nervtötende Hup – Schleife. Zuweilen fahren NPC auch gerne mal grundlos in den Graben… Nicht weiter schlimm, denn auf der ganzen Insel gibt es nicht ein einziges Tier, welches durch solch unfreiwillige Ausflüge ins Grüne gefährdet werden könnte. Richtig gelesen: KEIN Tier! Nicht eines! Erneut werfe ich die Stichworte „Frischluft“ und „Keller“ in den Raum…
Gibt es eine Story?
Die Alibi-Handlung des Spieles ist dem durchschnittlichen IQ sabbernder und pickeltragender Metzelspielfans angepasst: Unglaublich klischeehaft und völlig überzogen sollen wir als Freiheitskämpfer den Inselstaat Panau von seiner bösen Militär- und Propagandadiktatur befreien, den Rest der Story habe ich wegen völliger Belanglosigkeit und der sie völlig leblos transportierenden Zwischensequenzen vergessen. Aufgaben bekommen wir immer Gleich: [Random Fahrzeug] fährt vor, Kiste mit [Random Waffen] landet vor den Füßen, „Gang-Boss“ gibt Anweisungen, Held nickt schweigend. Zunehemend drängt sich bei all den unvollständigen Dingen der Eindruck auf, dass eine frühe Beta versehentlich als Goldmaster rausging.
Das Ende des Spieles lässt vermuten, dass die Storyschreiber schon nach 3 Tagen wieder entlassen wurden. Das, was kurz vor dem großen Finale offenbar als überraschende Wende gedacht war führte bei mir zur zeitwiligen Austrocknung des Mundinnenraumes in Folge des vor Entsetzen herunterfallenden Unterkiefers. Selten war ich von einer Story so entsetzt wie hier, und man möge mir nun nicht mit „Aber das ist doch nur ein Ballerspiel“ kommen: Ein abendfüllender Rosamunde Pilcher Marathon dürfte sich in Anbetracht der hier dargebotenen Erzählung wie ein Kulturabend anfühlen! An ökologischem Bewusstsein dürfte es dem Entwicklerteam jedoch nicht mangeln, konnte man doch immerhin die gesamte Story auf einem handelsüblichen Post-It unterbringen…
Gibt es Fraktionen?
Für drei Fraktionen kann man Missionen erledigen, was aber ungefähr soviel am Spielgeschehen ändert wie der berühmte und viel zitierte umgefallene Sack Reis in China. (Man möge mir nun Erläuterungen zum Butterfly Effekt und zur Theorie alternierender Universen ersparen!)
Selbst wenn man vor den Augen der einen Fraktion der Anderen hilft, hat dies auf das ungebrochen blendende Vertrauensverhältnis keinerlei Auswirkung. Hier wurde so massive gegen den Markttrend entwickelt dass man glauben mag, die Produzenten würden auch Schwarz-Weiß Fernseher als innovativ ansehen. Einzig werden bestimmte Gebiete jener Fraktionen auf der Map farbenfroh markiert, deren Einfluss man durch seine Aktionen vergrößert hat. Angeblich ändert sich dadurch auch die Militärpräsenz, wie gesagt, angeblich…
Kann man auch sterben?
Das Ableben in Just Cause 2 ist eine völlig neue Erfahrung für all jene durch World of Warcraft und Hello Kitty Online verweichlichten Schmusespieler: Man wird stets an einem Respawnpunkt / in einer eroberten Basis zurück ins Leben geschickt, welcher sich gerne mal hunderte Kilometer vom Ort der letzten Aktivität entfernt befindet. Hat man zwischen letztem Save und Ableben sehr viele Gebäude zerstört oder unheil gestiftet, geht dieser Fortschritt im Übrigen bei laufender Mission meist vollständig verloren.
Während der erneuten Anreise zum Sterbepunkt kann man auf Grund der unglaublichen Größe der Spielwelt also gemütlich die Wohnung säubern, eine zumindest einseitig befriedigende Nummer schieben oder die sich ansonsten selbst zur Mülltonne bewegenden Pizzareste aus der Sofaritze fischen, wäre da nicht die Tatsache, dass man sich schon selbst „fortbewegen“ muss. Ausnahme: Die „Schnellreisefunktion“ per Hubschraubershuttleservice, was jedoch in Ermangelung eines Explosionenverursachenden Untersatzes soviel Sinn gibt wie Arbeitspläne in Behörden.