Mit dem Erben ist das so eine Sache: Während Unsereinem im Schlimmsten Falle Omis alte Puppensammlung und jede Menge Schulden vermacht werden, bekamen die bemitleidenswerten Kollegen von Spellbound mit einer großen Verantwortung für die Gothic Serie auch gleich noch Pest und Cholera in Form des Geld-, Werbe- und Termingebers hinzu. Doch bald ist es soweit: Mit bunten Partyhütchen, Konfetti und nicht zu bremsender Vorfreude fiebern – will man einschlägigen Forenposts glauben – viele jenem Tag entgegen, an welchem ArcaniA möglicherweise der letzte Sargnagel für den „beliebtesten österreichischen Publisher“ sein wird (Kopfstand beim Lesen der Beliebtheitsskala vorausgesetzt). Das scheinheilig unter dem viel zu großen Label „Gothic 4“ getarnte Softwareprodukt erscheint in Kürze, und sobald die Nicht-Verkaufszahlen feststehen, dürften auch die letzten verbliebenen Aktionäre sich von dem Gedanken verabschieden, der sturzflugartig fallende Kurs des schlingernden Ösikonzerns könne jemals wieder auf solides Niveau steigen, doch wie immer der Reihe nach…
[amazon asin=B002IIDSEC&template=postr]Nehmen wir einfach mal an, die Supermarktkette „NoGooD“ bietet einen schmackhaften, aufwändig produzierten Kaviar an. Doch dann war es auf Grund der erdrückenden wirtschaftlichen Situation notwendig, zunächst billigeren Kaviar aus Indien zu importieren, bevor man nun schließlich dazu übergeht, nur noch Dosen zu verkaufen, auf welchen zwar Kaviar draufsteht, jedoch allenfalls schwarz gefärbte Analogkäsekügelchen enthalten sind – zum Vollpreis versteht sich. Angedeutet wird zudem, dass der Käufer sich nachträglich zu einem recht günstigen Preis noch den Geschmacksverstärker „DLC“ hinzukaufen kann. Zur Abrundung dieses Bildnisses seien dem Leser nun noch Begriffe wie „atmosphärisches Rollenspiel“ und „farbloses Hack&Slay“ an den Kopf geworfen.Was im Lebensmittelhandel gleich fünf unterschiedliche Behörden und den Verbraucherschutz auf den Plan rufen würde, scheint im Land der Alpen und für Software offenbar nach wie vor ungestraft möglich zu sein. Wieso auch nicht? Wer immer schon gerne Kaviar gegessen hat und weiß, dass es genau diesen nur in einen einzigen Supermarkt gibt, der wird ihn auch weiterhin dort kaufen und annehmen, die Qualität bleibe ewig gleich, statt mit einer Weigerung zum Kauf der Billigversion dem Konzern seine eigenen Grenzen aufzuzeigen.
Eine gewisse Panik musste wohl schon vorgeherrscht haben, als man im Land der Täler beschloss, für „ArcaniA – A GrottiG Fail“ eine Demo weit vor Release auf den Markt zu knallen. Eigentlich mutig und sehr löblich, lassen sich doch andere Publisher mittlerweile Betazugänge durch Vorbestellungen oder sogar den „Kauf“ des erforderlichen Zugangsschlüssels gewinnbringend finanzieren. Hier verdient dem Handeln der Tal-Stoffwechselbeendigungmenschen durchaus Respekt gezollt: Offen und ehrlich werden Konsumenten mit allen Schwächen, Fehlern und Designlücken abgeschreckt, als wollte man den Vierer-Fetischisten sagen: Wartet doch noch eine Woche und kauft euch dann lieber Fallout 4 – New Vegas.
Dabei war die Idee gut: Kunden anfixen, sich zum Kauf des ersten „Gothic“ zu entscheiden, das nicht mehr aus der Feder der eigentlichen Erschaffer der Serie stammen würde. Doch was nutzt es, wenn der Dealer in der leicht nach flüssigen Ausscheidungen riechenden U-Bahn Unterführung versucht, neue Kunden durch Probepäckchen „drauf“ zu bringen, diese jedoch in Folge des Konsums weder auf den Geschmack kommen, noch dem Drang widerstehen können, sich die zuletzt konsumierte Mahlzeit noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen? Daher möchte ich kurz auf das eingehen, was dem Spieler in Form des „Pröbchens“ zugemutet wird, um mich dann vor den zu erwartenden Randalen unbelehrbarer mit Mistgabeln und brennenden Fackeln bewaffneter ewig gestriger Fanboys einer spätestens jetzt zu grabe getragenen Spieleserie zu schützen.
Gewohnt bunt ausgeschmückt mit illustrativen Vergleichen, und der Frage, warum es tatsächlich Spieler gibt, die nach wie vor mit allen Mitteln inklusive offenbar sehr harten Substanzen versuchen, sich das abgelieferte Produkt irgendwie schön zu reden, saufen oder vorzustellen. Also doppelklicke ich das „Demo“ – Icon, wundere mich über die Weigerung des Spieles zu starten, und behebe den Perma-Absturz, indem ich nach Konsultierung diverser mehr oder minder hilfreicher dennoch zahlreicher Bug – Threads die Soundqualität in der Windows 7 Systemsteuerung herabsetze. Doch kurz nach dem Start zerstörte die Demo das Scrollrad an meiner Maus, so etwas habe ich in 20 Jahren Zocken noch nicht erlebt. (Erst später sollte ich herausfinden, dass es meiner Maus bestens ging und die Möglichkeit, per Scrollen rein und raus zu zoomen gänzlich fehlt, stattdessen in Kampfsequenzen aber in eine Iso-ähnliche Sicht gezoomt wird).
Der Held, eine Mischung aus Emo und Macho, nennen wir ihn einfach „Emma“, beginnt seine Abenteuer durch ein Gespräch mit einer wohlgeformten Weiblichen, die sich als seine Freundin entpuppt. Noch bevor „Emma“ den mit der Hauswand verschmolzenen und dennoch munter innerhalb Selbiger hin und her wippenden Baum näher betrachten kann (Ingenieure für Techniken gegen Erdbebenschutz wären sicher an der Realisierbarkeit dieser Technik sehr interessiert) findet er sich in einem Laufställchen eingesperrt wieder, dass offenbar den ersten Ort darstellen soll. Dieser hat durchaus mehrere Highlights: Eine wundervoll ausgearbeitete Schmiede mit schickem Feuereffekt und vielen liebevollen Details, und sehr real auf mich reagierende, lebhafte Hühnchen, deren Lebensdauer jedoch durch schnellen Zusammenprall mit meinem Hirtenstab jäh beendet wurde.
Führt man die ersten Gespräche mit Dorfbewohnern dürfte auch dem letzten Fan der einstigen Erfolgsserie klar werden, dass man hier in Sachen Rollenspiel ebenso beglückt werden dürfte wie Vegetarier durch ein dickes, saftiges Steak. Einige der mir gestellten Aufgaben erschlossen sich mir erst nach Lesen des Questlogs, und die präsentierten Storyfetzen lagen irgendwo zwischen ausgelutscht und kitschig. So plant der Held statt der Rettung der Welt seine eigene Hochzeit, nachdem er erfahren hat, *SPOILER* dass seine Herzdame „trächtig“ ist *SPOILER ENDE*. Diese hört im Übrigen auf den Namen „Ivy“, welcher jedoch in dem deutschen Traditionsrollenspiel englisch ausgesprochen wird, also Ei-Vieh. Der Held „Emma“ wirkt in Dialogen immer so, als habe er sich zu Zeiten der Intelligenzvergabe in der falschen Reihe angestellt, und als wolle er Kai Pflaume als Schwiegermutters Liebling ablösen.
Tausende Fragen schossen mir bei meinen Gesprächen mit den seelenlosen NPCs und beim Abarbeiten der Aufgaben durch den Kopf: Warum sind die Quests alle linear, so dass ich zumeist nur eine Aufgabe gleichzeitig habe? Warum kommen NPC, bei denen ich einen Quest abgeben soll, auf mich zugerannt? Warum habe ich in Dialogen nicht die Möglichkeit, mehr als zwei Optionen zu wählen und warum heißt die zweite Option immer Ende? Questgeber verkommen zu einer funktionalen Einheit zur Übermittlung von Aufgaben, nicht zu einer lebendig wirkenden Spielfigur, mit welcher man mitfühlt. Einziges „hä“ Highlight in Sachen „hä“ NPC war die offenbar Kopf-, „hä“ Augen- „hä“ und Sprachgeschädigte „hä“-Hexe, deren Überzeichnung mittels freudig eingestreutem „hä“ jedoch gleich wieder den tollen „hä?“ Ansatz von Einzigartigkeit zerstörte, hä?
Die bespielbaren Gebiete haben mit spielerischer Freiheit ebensoviel zu Tun wie der Ausgang im Knast mit einer Weltreise, und so sehe ich mich vor verschlossenen Toren, Türen und versperrten Brücken wieder, die sich nur per linear abfolgenden Questlinien öffnen lassen, und kann eine Wiese nicht betreten, da diese grad von Molerats zum „Sonnenbaden“ benutzt wird, oder so ähnlich. Während der gute alte Gothic Held solche Hindernisse mit dem Fuß voran oder blumig ausgeschmückten Dialogsequenzen überwunden hätte, lässt „Emma“ sich dazu degradieren, lustig blinkende Pilze zu pflücken oder „heldenhaft“ andere Leute zu belügen um unangenehmen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen.
Ein Beispiel sei hier stellvertretend beschrieben: Man trifft im Wald die oben erwähnte Hä-Hexe in ihrer Hütte. Diese will nicht nur, dass der Held die Fähigkeit lernt, Zauber und Kampf abzuwechseln, was auf Grund der sehr „gewöhnungsbedürftigen Steuerung“ und munter schwankenden Gegnerleichtigkeit den letzten Nerv rauben kann, nein, sie enthüllt dem Helden zudem noch in einem Nebensatz *SPOILER*, dass seine Mutter nicht seine wirkliche Mutter ist, und dass er wie der kleine Moses in einem Körbchen an den Strand gespült wurde, man solle doch mal eben die Mama fragen (die als NPC im Spiel ebenfalls vorhanden ist)*SPOILER ENDE*. Danach durchkämpfen wir gefühlte 2 Stunden einen langen schlauchförmigen Gang, in welchem eine Gegnerart nach der Anderen auf uns wartet und mit mehreren monotonen Mausklicks beseitigt wird. Apropos „Emmas“ Mama: Auswirkungen meiner Handlungen auf die Spielwelt fielen ebenfalls dem Sparzwang zum Opfer! Metzelt man gleich zu Beginn alle Schafe des Dorfes, bekommt „Emma“ nur Mamas mahnende Worte zu hören, obgleich im nächsten Winter alle Dorfbewohner mangels Milch, Käse, Fleisch und Wolle wohl elendig leiden müssten…
Ebenso wie dem Helden fehlen auch der Spielwelt einige Kanten und Ecken (auch die fehlende Kantenglättung schafft hier durch muntere Treppcheneffekte keinen Ausgleich). Wege braucht man auf der Suche nach Abenteuern nicht zu verlassen, ist die Bewegungsfreiheit zur rechten und linken Seite fernab der vorgetrampelten Pfade doch eher dem Gefühl einer japanischen U-Bahn zur Rushhour nachempfunden. Auch legt sich „Emma“ zwar in kurzweiligen Hack&Slay Gemetzeln mit randalierenden Goblins an, traut sich aber weder weiter als Knöcheltief ins Wasser noch mag er auf Grund seines keltischen Aberglaubens über die überall herumliegenden Steine klettern. Der Ehrenpreis der Glaser-Innung für die hohe Anzahl unsichtbarer Käseglocken dürfte den Entwicklern indes sicher sein.
Wirft man einen Blick auf die verschiedenen UI-Elemente, den Skill-Brotschieber und die Taschenkästchen, so kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Farbtöpfe schon bei der Erstellung der Landschaften draufgegangen sind (und dies selbst dann, wenn man im Grafikmenü die Option „europäische Darstellung“ wählt). Klar ist in der heutigen Zeit oft „weniger mehr“, aber zu wenig ist eben oftmals gar nichts. Wer hingegen „Gothic“ auch mit „Retro“ verbindet, dürfte sicherlich beim Betrachten der sterilen Gitternetzlinienelemente aus späten 70er-Jahre Videospielen diverse Erregungszustände durchlaufen.
Der Sparkurs forderte jedoch noch weitere Opfer: Alle Dialoge mit Lehrern, die einem einst eindrucksvoll den richtigen Schwung einer Waffe näher brachten, wurden zu Gunsten eines epischen neuen Features gestrichen: Dem sogenannten „Klick“. Doch in Sachen Vereinfachung geht noch mehr: Zwar gibt es Animationen für Schmieden (und Schlafen), doch die Herstellung von Gegenständen erfolgt im Inventar. Vorbei die Zeiten, wo man noch an Esse, Amboss, Wassereimer und Schleifstein im Schweiße seines Angesichtes ein episches Schwert erstellte, ein „Klick“ und schon ist das Item wie von Zauberhand im Gitternetzliniensack.
Um dem Nutzer nach längerer Betrachtung des Menü-Regales nicht einer Reizüberflutung auszusetzen, hat man in ArcaniA – A Grottig Fail gleich auf jedwede tierische Artenvielfalt verzichtet. Neben ein paar Hirschen und Wölfen fühlt sich die Spielwelt ein wenig monoton und leblos an. Doch wer sich bewegende Elemente sucht, der mag vielleicht von der Grasdarstellung getröstet werden, dessen Büschel nach einem nicht nachvollziehbaren Muster in sehr naher Entfernung munter aufpoppen, nur um wenig später wieder zu verschwinden (Letzteres kann man im Menü ändern), und welche sich im Falle einer Körperdrehung des Helden synchron zu dessen Bewegung mitdrehen.
Werfen wir noch ein Ohr auf Sounds und Musik. Erstere sind sporadisch vorhanden, wirken ein wenig blechern, aber fügen sich meist an den richtigen Stellen in die Umgebung ein. Die Musik kann sich keinesfalls mit den epischen Klängen aus Gothic 3 messen, sie ist unaufdringlich und plätschert im Hintergrund vor sich hin. Während man in anderen Spielen zuweilen eher an das Gefühl beim Geräusch eines Zahnarztbohrers erinnert wird, ist das hier dargebotene Klangerlebnis durchaus als stimmig zu bezeichnen. Großes Manko sind jedoch die Sprecher. Zum einen klingen sie nicht so „kernig“ und „grob“ wie in den Vorgängerteilen, zum Anderen geben die sehr platten Dialoge aber auch nahezu gar keine Möglichkeit, sich künstlerisch zu entfalten. Das Feeling, welches hier vermittelt wird, kommt doch eher dem Unterhaltungswert einer Meditationsrunde gleich, und genauso einschläfernd wirkt es auch.
Apropos Schlaf: Der Tag verstreicht langsam, und „Emma“ beobachtet, wie die Schatten der Häuser und Bäume immer länger und länger ticken. Ticken? Korrekt! Die Entwickler haben den Begriff „Sonnenuhr“ offenbar ein wenig falsch verstanden, und somit die sommerliche Bestrafungsscheibe auf einen sich um die Spielwelt drehenden Sekundenzeiger getackert. Das Ergebnis: die Schatten springen im Sekundentakt immer einen mächtigen Schritt weiter. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass die dadurch erzeugte Atmosphäre an das behagliche Gefühl in einer voll besetzten öffentlichen Toilette zur Haupteinkaufszeit erinnert. Und während der Schmied rund um die Uhr weiter an seinem Stahl herumhämmert und dies andere NPCs nicht im Geringsten in ihrer Nachtruhe zu stören scheint, erlebt „Emma“ neue Abenteuer, denn die Funktion „Schlafen / Erholen“ aus den „Vorgängerteilen“ wurde gleich ganz weggelassen.
Ein kurzer Absatz sei noch dem neuen Krampfsystem gewidmet, welches sich mit erstaunlicher Präzision der gefühlten Intelligenz des Helden „Emma“ anpasst. Gegner haben Reaktionszeiten von narkotisierten Schlaftabletten, zwischen Animationsbeginn und „Einschlag“ einer gegen mich gerichteten Attacke vergehen unzählige Schattenticks, und selbst wenn ich schon weit über alle Berge bin greifen Monster immer noch jenen Punkt an, an welchem ich mich zu Beginn ihrer Angriffsanimation befand. Und egal was kommt: Laufe ich rückwärts mit dem Bogen, bin ich unbesiegbar, da mich die Schneckentempo – Mobs ohnehin niemals erreichen werden. Doch weit komme ich meist ohnehin nicht, denn nach zwei Schuss mit dem Bogen ist der epische Kampf vorbei.
Ein geschickter Schachzug sei dem Publisher noch zugestanden: Wer wissen will, was man im Spiel so alles erleben wird, und wie es enden wird, der braucht nur die Demo zu spielen. Denn am Ende bekommt man Zugriff auf eine Art „Archiv“, welches all die Dinge, die man im Hauptspiel erleben wird, inklusive dem Ende schon mal vorweg nimmt. So bleibt also allen, die das Spiel einzig wegen seiner Geschichte in der Gothic – Welt erwerben würden diese Belastung der Haushaltskasse erspart. Wozu auch den neuesten Harry Potter Roman lesen, wenn schon in der Leseprobe der gesamte Inhalt des aktuellen Werkes komplett zusammengefasst wird? Schon in der Schule erfreuten sich Zusammenfassungen der allseits beliebten „Reclam“ – Lektüren ungemeiner Beliebtheit…
Nun kommen wir zu dem Teil, mit welchem ich zu unterbinden versuche von betriebsblinden Gothicdauerfans gesteinigt zu werden: JA, es ist eine Demo! Doch wie einst die Mama euch Sonntag die besten Sachen anzog, und euch bat, in der Kirche in der ersten Reihe zu sitzen damit alle Bekannten und Nachbarn euch sehen, so erwarte ich auch von einer Demo, dass sich ein Spiel von der besten Seite zeigt. Oft lese ich in den Forenposts auf einschlägigen Gothic – Fanseiten Aussagen wie „Das wird im Hauptspiel sicherlich noch besser“ – wird es wirklich? Nehmen wir an, Spellbound würde es schaffen, ein komplett neues Kampfsystem, flinker agierende Gegner, sowie ein komplett neues Brotschieberfreies Talentbaumsystem und einen neuen Aufbau der Spielwelt zu integrieren, wie soll man alle Dialoge noch einmal überarbeiten? Die Goldmaster dürfte ihre Reise ins Presswerk sicherlich schon angetreten haben, und es steht zu bezweifeln, dass der Publisher in der Lage und Willens ist, weiteres Geld in den Titel zu stecken, statt endlich die Kuh zu melken, die zwischen ihm und dem endgültigen Abgrund steht.
Und wer nun auf die zuweilen erstaunlich detailblinden Tests in den großen Spielezeitschriften verweist und argumentiert, soviel geballte Pressepower könne doch nicht falsch liegen, dem möchte ich kurz in Erinnerung rufen, dass die meisten Zeitschriften zu einem sehr großen Verlag gehören. Dieser große Verlag hatte die „Rechte“, die Demo einen Tag früher als alle Anderen zu veröffentlichen. In Zeiten, in welchen Redaktion und die Abteilung zur Entgegennahme der diese finanzierenden Werbekunden kürzere Schaltwege haben also so mancher Prozessor, mag ich hier die Worte „Objektiv“ und „Wunder“ unkommentiert in den Raum werfen.
„Wess Brot ich ess, des Lied ich sing“ – gerade in heutigen Zeiten, wo Printmedien mit allen Mitteln um ihr Überleben kämpfen. „Ihr werdet doch sicher bei der Bewertung ein Auge zudrücken, wenn wir euch die Exklusivrechte zur Veröffentlichung der Demo und damit tausende Leser für eure Webseiten liefern!?“, ein Satz, der mir an dieser Stelle irgendwie durch den Kopf geistert. Ob in Kürze erneut das Gerücht auftauchen wird, dass mit Hilfe von anwaltlichen Verfügungen versuchen wird, die Veröffentlichung von negativen und somit ehrlichen Testberichten vor Release zu erwirken – Gerücht wie gesagt – das wird sich wohl noch zeigen. Ich bin froh, dass wir uns hier auf mmoinfos.de diesem schwierigen und realitätsverzerrenden Sumpf vollends entziehen konnten, und ohne jedwede Zwänge oder werbefinanzierte Bevorzugung unsere Meinung kundtun können.
Ein weiteres Wort sei an all jene gerichtet, die tatsächlich glauben (oder erhoffen), dass mit dem Hauptspiel die Welt viel freier, begehbarer und weniger schlauchförmig und linear werden wird: Im Netz sind Karten der Hauptinsel zu finden, auf welchen klar erkennbare „Blockaden“ und „Zugänge“ von einem Gebiet zum Nächsten zu finden sind. Und mit ein wenig Fantasie kann man sogar schon all jene Stellen ausmachen, an welchen sich künftig geschickt Content zum Dazukaufen platzieren lässt, ach übrigens: Ich werde morgen ein neues Topfset kaufen. Die Griffe, Stiele und Deckel kaufe ich dann in ein paar Wochen für jeweils 10 Euro nachträglich dazu, und wundere mich keineswegs über die Kratzer an einigen Töpfen die vermuten lassen, dass die Teile vor ihrer Auslieferung absichtlich abgebaut wurden.
Abschließend darf ich festhalten, dass ich den Mut bewundere, ein Produkt so zielstrebig am Markt und an den Fans vorbeizuentwickeln. Niemand soll sagen, man sei nicht schon während der Entwicklung hinreichend auf Fehler und Defizite aufmerksam gemacht worden. Wer so seine treuesten Kunden vergrault in der Hoffnung, dadurch ein für breitere Massen zugänglicheres Spiel zu erschaffen, welches auch den Metzelgeilen und Denkfaulen Einzeller und einen den amerikanischen Kontinent bewohnenden Leichtkostfan befriedigt, der darf sich nicht wundern, wenn die massiven Stimmen enttäuschter Fans auch in die Ohren jener potentieller Neukunden dringen werden. Spätestens dann schlägt der Bumerang ein, und ich möchte mit einem sinngemäß wiedergegebenen Statement des torkelnden Publishers schließen. Mein tiefer Respekt vor der Presseabteilung, die einst mit Aussagen glänzte wie „Ihr seid selbst schuld mit eurer hohen Erwartungshaltung (das ihr unsere Produkte doof findet)“:
„Die Demo von ArcaniA wird ein eigenes spannendes Ende enthalten. Dieses wird es im fertigen Spiel nicht geben.“
Gadarols objektives Fazit
Zunächst möchte ich meinen Game – Designer – Kollegen von Spellbound wirklich ehrlich gemeinten Respekt aussprechen und hoffe, dass den wirklich sympathischen Jungs ein größeres Desaster erspart bleibt. Sich einer so gewaltigen Aufgabe wie der Fortsetzung der so großartigen und renommierten Gothic – Reihe zu stellen ist sicher Grund für zahlreiche schlaflose Nächte gewesen, und an sehr vielen Stellen der Demo möchte ich wie seinerzeit die Lehrer in der Schule zumindest ein nett gemeintes Sternchen ins Schulheft malen. Dennoch muss ich zu einem vorläufigen Demo – Fazit kommen, und sowohl die technische Ausführung, als auch das Game Design und den Versuch einer Einordnung wagen.
Wer Rollenspiel „light“ erwartet, dass zudem mit einer hübsch anzusehenden Landschaft und leicht verständlichen Dialogen zu überzeugen versucht, der kann – so Fallout New Vegas keine Alternative ist – sicherlich über den Kauf des Titels nachdenken. Wer jedoch in nostalgischer Erinnerung an Gothic schwelgt, der wird in mehr als nur kleinen Details enttäuscht. Da die vorliegende Version eine Demo ist, kann noch keine abschließende Wertung vorgenommen werden, jedoch darf ich euch schon jetzt Versprechen, nach dem kompletten Konsum des Titels, so ich mich denn überwinden sollte, eine erneute Glosse zu schreiben. Einzig basierend auf der Demo müsste ich derzeit den Bewertungsdaumen in Mittelstellung bringen: Zugreifen, wenn der Titel im Sonderangebot auf dem Grabbeltisch landet, dürfte sicherlich nicht falsch sein.
Die Demo hat gezeigt, was man mit ein wenig mehr Geld und Zeit hätte machen können, denn die skurrile Mischung aus tollen Elementen und unfertiger Leichtkost lässt den Schluss zu, dass hier viel Potential verschenkt wurde. Ein rundes Gesamtbild sieht anders aus.
Kaufempfehlung: Für Spieler, die den Gedanken nicht ertragen können, dass ein Spiel mit der Aufschrift Gothic nicht in ihrem Regal steht. Für Rollenspiel-Neulinge oder Spieler, die noch nicht Gothic gespielt haben. Nicht geeignet für Gothic – Fans und Freunde fesselnder Rollenspiel – Atmosphäre oder Spieler, die aus Überzeugung mit ihrem Geld über die Zukunft von … ach lassen wir das.